Hallo, gerade habe ich mir "Feinde ringsum - Die Ritter vom Flügelrade" von Paul Burg digitalisiert. Folgender Absatz: „Die schwere Maschine muß sofort ausfahren! Sofort! Lazarettzug in Gefahr!" Kramer sprang auf seine Maschine zu, zog sich wie ein Jüngling mit einem Schwung an dem blanken Handgriff empor und erklomm die drei eisernen Stufen zum Führerstande mit einem Satze. Schulze sprang nebenan auf. Ein Pfiff. Schon war die Ordonnanz auf der Lokomotive. „Sie schmeißen mit Bomben auf unsere Verwundetenzüge, die Flieger!" keuchte er. Weichen flogen draußen knirschend herum. Die ,Schwere’ raste mit ganzer Geschwindigkeit durch das Schienengewirr aus dem Bahnhofe. Sie flog über die blitzenden Schienen wie ein Vogel, wie ein Pfeil. Und keuchend ging der Atem aus dem eisernen, glühenden Leibe, stoßend. Schulze riß die Feuerbüchse auf und warf Kohlen ein. Hochauf stiebten Rauch und Funken aus dem kleinen Schornstein. Wie ein zorniger Stier, den breiten Schädel nach vorn geduckt, raste die Maschine voran, schleuderte ihr ungeheures Eigengewicht gegen den Feind. Gegen den...? Auf dem gleichen Schienenstrange mußte sie doch den gefährdeten Zug treffen. Kramer klammerte die Faust um den Regulator. Da! Das Signal stand auf langsame Fahrt, das nächste auf höchste Vorsicht, halt! Leise verhielt die brausende Maschine, zuckend und zischend. Und hoch in Lüften kreisten zwei französische Doppeldecker, schleuderten Verderben auf Hunderte von wunden, sterbenden Kriegern. Da vorn loderten Flammen auf und hallten Schreie, die den Männern auf der Maschine das Mark in den Knochen erstarren ließen. Mit zusammengebissenen Zähnen verharrte Kramer. Das Blut in seinen Schläfen schlug wie Hämmer an: „Gib acht, rette!" Und: „Gib acht, rette!" so schrie es in seinem Herzen. Er war wie taub. Und er zog den Hebel, rückte ganz leise und langsam, unbemerkt von den beiden entsetzlichen feindlichen Vögeln da oben in der Luft, gegen den letzten Wagen des Verwundetenzuges, der voller Grausen und Sterben war. Flammen lohten. Die weißen Flaggen mit dem Roten Kreuz der Menschenliebe hingen geschändet, zerfetzt von den Wagen herab. Weit vorn schrie die zerschmetterte Führermaschine des Verwundetenzuges wie ein sterbendes Tier: „Helft !" Da legte sich leise, wie helfende Hände, Puffer an Puffer. Und der Heizer, der Soldat sprangen hinab und vorauf, kuppelten den letzten Wagen an die ,Schwere’, die wimmernd im Sprunge stand. Sie liefen an dem Zug hin und spähten zwischen die Wagen, ob die Kupplungen noch heil waren und hielten, rissen an den Harmonikaverschlüssen der Durchgangswagen mit den weißen Schildern, den roten, Ehrfurcht gebietenden Kreuzen. Droben holten die Flieger aufs neue aus zum Bombenwurfe, und drunten hallte das Schreien der Entsetzten. Da pfiff die ,Schwere’ hoch und hell. Allen klang es wie ein Rettungszeichen. Der Heizer und der Soldat kamen zurückgerannt, sprangen auf. „Alles heil!" keuchten sie schweratmend, und in ihren Augen flakkerte der unauslöschliche Haß gegen den entmenschten Feind, der vor nichts, vor keinem Sterben mehr Achtung hatte. Was für unverveßliche Bilder des Schreckens waren in diesen Sekunden vor ihren Augen vorübergerast wie ein höllischer Totentanz! Kramer nickte ihnen verstehend zu und legte mit fester Hand den Hebel um auf rückwärtige Fahrt. Er öffnete den Regulator. In rasender Fahrt, daß die Verwundeten auf ihren Betten wild geschüttelt wurden, zog die Maschine den überfallenen, fast zerschmetterten Zug, an dessen Spitze die von einer Fliegerbombe schwer getroffene Führermaschine hing, zurück in die schützende Station. Der Heizer schürte im Feuer, daß die schwarzen Rauchwolken den ganzen Zug verhüllten. Kramer starrte auf den Schienenweg und hörte dem Soldaten zu, der händefuchtelnd nach dem Himmel zeigte. „Und unser Kreuz, unser Eisernes Kreuz haben sie sich als Zeichen auf die Flügel gemalt!" Da wandte sich der alte Lokomotivführer, auf dessen Brust das höchste Ehrenzeichen der Deutschen erglänzte, weinend ab. Sie hörten ihn schluchzen, aber seine Tränen der Scham über einen solchen Feind und solche Schande sollten sie nicht sehen. Es ist mir schon klar, dass so manche Geschichte recht frei Erfunden ist. Oft sind aber auch tatsächliche Ereignisse den Protagonisten "untergeschoben". (Einen Angriff unter falschen Hoheitszeichen halte ich allerdings für Phantasie.) An anderer Stelle im Text wurde geschrieben, "dass der Krieg nun schon ein dreiviertel Jahr ging". Also müsste sich der geschilderte Angriff auf den Lazarettzug Anfang 1915 abgespielt haben. Gab es denn einen Angriff auf einen Lazarettzug in diesem Bereich? Dank und Gruß Gabriel
Hallo, Im Frühjahr 1915 befand sich Lille im Bereich der Etappen-Inspektion der 6. Armee. Es gab zu der Zeit einige Lazarett-Züge: Keine Ahnung ob ein Zug angegriffen wurde. Gruß, Thierry
Naja, ich dachte die Formulierung wurde vielleicht vordatiert um Aktualität darzustellen. Keine Ahnung wie viel Vorlauf so ein Heftchen hatte.. Ein, zwei Monate?
Ob man in diesem Fall etwas in offiziellen Berichten findet? Da muss ich direkt mal bei meinem Hauptmann Kraus nachschauen. Der schreibt ja auch mal dass seine Truppe Ersatz für 1000 Mann stellen musste, die durch eigenes Feuer getötet wurden. Gruß Wolfgang
Der Sanitätsbericht enthält 20 kurze Berichte über bemerkenswerte Zugunfälle (sic), darunter auch Angriffe durch Flugzeuge, aber keinen für das Jahr 1915 im Westen. Gruß Charlie
Das mag im Grabengewirr durchaus vorgekommen sein. Aber Rot-Kreuz-Züge waren eigentlich klar gekennzeichnet - auch, oder gerade aus der Luftperspektive: (mit Stempel Landsturm-Bataillon Dillingen 3. Kompagnie - Vermerk:23.06.1915)
Vielleicht lieferten sich da auch gerade deutsche und französische Flieger einen Luftkampf. Der Schreiber hat nur die deutschen Flieger gesehen/erkannt und die falschen Schlüsse draus gezogen .....??
Hallo Gabriel Wann wurde das Heft veröffentlicht? Eine Google Suche hat nichts Eindeutiges ergeben. Ich vermute nur, daß es während des Krieges veröffentlicht wurde. Zu dieser Zeit neigten Bücher dazu den Feind auf die schlimmstmögliche Weise darzustellen. Woher wusste man daß die Flugzeuge französisch waren, wenn sie deutsche Hoheitszeichen trugen? Ich denke daß die Erklärung von Wolfgang am wahrscheinlichsten ist. Die Geschichte könnte auf ein tatsächliches Ereignis zurückgehen, aber ich halte einen direkten Angriff auf einen Lazarettzug in dieser Phase des Krieges für unwahrscheinlich und der Zug war zur falschen Zeit am falschen Ort. Aus der Tabelle im Sanitätsbericht Band 1 geht hervor, daß die Schäden an Zügen durch Flugzeuge in den Jahren 1914-15 im Vergleich zu 1918 relativ selten waren. Gruß Charlie
Moin Kollegen, Ich sehe das wie Charlie. Paul Burg ist kein Herodot sondern eher der damalige Relotius der pulp fiction.
Hallo Charlie, vielen Dank. Immerhin ein Fliegerangriff findet sich 1915 ja. Wenn man die Dramatik raus nimmt, stellt sich die Situation für mich wie folgt dar: Zug unbeschädigt bis auf die Lazarettzug-Lokomotive (sonst hätte man ja einen beschädigten Wagen ausrangieren müssen). Die Lokomotive befand sich am anderen Ende des Zuges. Insofern bemerkenswert, da es Wendezugsteuererung damals noch nicht gab. Also hätte die ursprüngliche Maschine zuerst noch einmal um den Zug herum rangieren müssen für den Abtransport. Folglich hat sich das Ganze vermutlich in einem Bahnhof abgespielt. Ob da nun tatsächlich der Lazarettzug bombardiert wurde, halte ich folglich für fraglich. Zum Erscheinungsdatum steht nicht direktes im Heft. Allerding "erscheinen alle sechs Wochen sechs weitere Hefte" und zum 15. November 1915 sind die nächsten angekündigt. Also wäre das Veröffentlichungsdatum der 4. Oktober 1915. Gruß Gabriel
Hallo, ich finde immerhin ein realtiv glaubhaftes Ereignis, das sich vermutlich unmittelbar in der Nähe abgespielt haben muss. Davon wird in der "Illustrierten Geschichte des Weltkrieges 1914/15, Zweiter Band S. 15 ff" berichtet ("Mit dem Lazarettzug in Feindesland" ) . Hier greift allerdings ein französisches Flugzeug an, wobei aber der Angriff eher den Schienen zu gelten scheint. Bei meiner Aktenlektüre bin ich im Übrigen auf eine ganze Reihe von mehr oder weniger glaubhaften und/oder vorgeschützten Berichten zu Angriffen auf Sanitäts-Einheiten gestoßen. Die Diskussion darüber auf deutscher Seite scheint mir m.A.n. noch lange nicht abgeschlossen. Hier gibt es noch gewaltige "Leerstellen". Joseph
Auf diesem Luftbild aus meiner Sammlung sieht man ein Kasernengelände in Oostende in unmittelbarer Nachbarschaft eines als solches gekennzeichneten Lazaretts, sowie einige Krater in unmittelbarer Nähe. D.
Hallo Deichkind, Ich glaube eher dass es Übungskrater sind, die Kaserne selbst hat keine Krater, und es gibt Übungslaufgräben auf die andere Seite. Gruß, Lars
Man sollte aber auch nicht vergessen, dass die Bomben einfach am Henkel aus dem Flugzeug geworfen wurden.. oder irgendwie unten rangenöddelt waren. Präzision war jetzt nur sehr bedingt gegeben, vor allem aus großer Höhe.