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Fort de Manonviller

Dieses Thema im Forum "Fahr mal hin......." wurde erstellt von Red Baron, Apr. 15, 2015.

  1. Red Baron

    Red Baron Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser

    Quelle: Julius Rebold „Die Festungskämpfe im Weltkriege“ 1928 Zürich

    Sperrfort Manonviller,
    welches Bahn und Straße Straßburg - Paris beherrscht und die zwischen den Forets de Parroy und de Moudon gelegenen Straßen und Wege. Das Fort hatte nach der Schlacht in Lothringen den Franzosen den Rückzug wesentlich erleichtert, indem es dem Verfolger die Benützung aller dieser Kommunikationen untersagte, wodurch die 6. deutsche Armee in zwei Gruppen getrennt wurde, deren innere Flügel mehr als 20 km auseinanderlagen. Für eine rasche Wegnahme des Forts sprachen also gewichtige Gründe.
    Das Fort liegt ganz isoliert ca. 12 km östlich Luneville. Es war bis zum Jahre 1889 ein altes Werk ohne großen militärischen Wert; später wurde es dann aber sorgfältig verstärkt und erhielt zwei Panzertürme mit Hartgußkuppeln für je zwei 155-mm-Kanonen, zwei gepanzerte Verschwindtürme für je zwei 155-mm-Kanonen, zwei Verschwindtürme mit je zwei 57-mm-Schnellfeuergeschützen, einen Ver­schwindturm für eine Gattling-Mitrailleuse mit sieben Läufen, zwei Panzerstände für Scheinwerfer, neun gepanzerte Beobachtungsstände und dazu noch die erforderlichen Schnellfeuergeschütze für die Grabenbestreichung.
    Die Besatzung des Forts bestand 1914 aus 19 Offizieren und 745 Mann, und an beweglicher Artillerie waren ihr zugeteilt: zwei Feldgeschütze, vier 15-cm- und sechs 22-cm-Mörser. Das Fort war mit Toul durch ein unterirdisches Kabel verbunden.
    Am 2 4. August wurde das Fort durch eine bayrische Brigade, welcher 15-cm- und 21-cm-Mörser sowie etwas Kavallerie zugeteilt war, eingeschlossen. Die schwere Artillerie ging in Terrainfalten 8-10 km östlich des Forts in Stellung und eröffnete am 25. August, 9,30 Uhr vormittags, das Feuer auf das Fort. Dieses antwortete sofort lebhaft, konnte aber die Lage der Angriffsartillerie nicht auffinden. Die telephonischen Verbindungen mit Toul wurden schon an diesem Tage unterbrochen, so daß der Befehl, das Fort solle die von Avricourt heranführende Eisenbahn, auf welcher Zugsverkehr gemeldet worden war, unter Feuer nehmen, nicht mehr durchkam.
    Die Beschießung dauerte nun mit kurzen Unterbrechungen bis 27. früh, zu welcher Zeit noch eine 42-cm-Batterie und eine 28cm-Küsten-Mörser-Batterie in Tätigkeit traten. Die Wirkung der schweren Geschosse dieser Geschütze war nun so gewaltig, daß schon am gleichen Tage, nachmittags 3.30 Uhr, die weiße Fahne auf dem Fort erschien. Es war zwar noch lange nicht sturmreif, die Flankieranlagen der Annäherungshindernisse waren noch intakt, die Betoneindeckungen nirgends durchschlagen und von den Panzertürmen nur die beiden mit Hartgußkuppeln zerstört, die andern nur z. T. verklemmt und vorübergehend außer Gefecht gesetzt. Die Übergabe des Forts ist einzig aus dem Grunde erfolgt, weil der Aufenthalt in demselben der Besatzung unerträglich geworden war. Sie soll durch die Explosionserschütterungen fast wahnsinnig geworden sein, die Mannschaften hätten nach jeder Explosion über Ohrensausen, Kopfweh und Zahnschmerzen geklagt und hätten furchtbar gelitten. Das Fort, welches in dicken Staub und Rauch gehüllt gewesen, so daß jede Sicht nach außen verunmöglicht war, sei durch die Einschläge der schweren Geschosse wie von einem Erdbeben erschüttert worden.
    Die Verluste der Besatzung waren aber ganz gering und betrugen nur drei Tote und neun ernstlich Verwundete.
    Den Fall des Forts erfuhr die französische Armeeleitung erst am 29. August durch eine Lufterkundung. Der betreffende Flieger meldete, das Fort verhalte sich ganz stumm, es scheine ein Bombardement erlitten zu haben, denn man könne die Panzertürme nicht mehr unterscheiden. Es habe den Anschein, als sei es in den Händen des Feindes.
    Die Deutschen haben nachher das Fort noch vollständig durch Sprengung zerstört.


    Heute wird das Fort von einem Verein betreut und ist zu besichtigen.

    Gruss

    Andreas
     

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  2. fuchsi

    fuchsi Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Danke Andreas,
    sehr interessant. Wer mal ein Manöver mit Haubitzen mitgemacht hat kann das nachvollziehen.............Ich möchte nicht da drinne gewesen sein.

    Grüße
    fuchsi
     
  3. kb_rir2

    kb_rir2 Sehr aktives Mitglied / Sponsor AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Guten Tag,

    zur Übergabe des Forts Manonviller wird gerade auf meinem französischen Forum heftig diskutiert und einzelne Artillerie-Fans bzw. Heimatforscher melden sich mit Veröffentlichungen unterschiedlicher Art.
    Mich hat das Thema auch interessiert, weil mein Großvater mit seinem Regiment zur selben Zeit- in respektvoller Entfernung - gen Lunéville gezogen ist. Die Schwester-Brigade (kgl. bayr. 2. Res.Inf.Brig.) wurde dem Belagerungskorps (General Ritter von Brug) als Infanterie-Einheit ( b. RIR 3 und b. RIR 12) zugeteilt.
    Nach Deuringer hatte die O.H.L. das Oberkommando der 6. Armee bereits am 07. August 1914 angewiesen, das Fort Manonviller "baldigst wegzunehmen". Aus diesem Grund waren bereits zwischen 10 - 14. August bei (Deutsch)-Avricourt Gleisanlagen für die Anfahrt und gegebenenfallsige Stationierung von Beta- und Gamma-Geschützen angelegt worden.
    Am 14. August war das Belagerungskorps bereits gebildet und die ersten Marschbefehle waren bereits "raus", als jener Befehl zum "taktischen Rückzug" hinter die Saar eintraf, mit dem die Armee Castelnau in die Falle gelockt werden sollte (Eine einmalige Chance, die vermutlich aber aus Ungeduld "versemmelt" wurde.). So kam es, dass das Belagerungs-Detachement erst nach der Schlacht bei Mörchingen (Morhange) am 23. August nochmals mühsam zusammengerufen werden musste (Befehl Gen.Kdo. b. I. A.K.).

    Folgende Einheiten waren vorgesehen:
    Kommandeur: Karl Ignaz Maria (Ritter von) Brug (1855 - 1923) eigentlich General der Infanterie, hier als General der Pioniere.

    2. b. Res.Inf.Brig. (Generalmajor Ritter von Graf)
    2. b. Res.Kav.Reg. 1

    b. Fßa.Br.Kdo. (Generalmajor Otto Kreppel = hier Kommandeur der Artillerie-Einheiten)
    b. R.Fßa.R. 1
    Stab 1. b. Fßa.R. (Oberstleutnant Gartmayr)
    Stab Fßa.R. 18 (Oberst Mummenhoff)

    I./b. R.Fßa.R. 1 |
    I./R.Fßa.R. 13 |(s. F.H. 02) je 16 Geschütze (15 cm)
    II./R.Fßa.R. 14 |

    II./3. b. Fßa.R. |
    II. u. III./Fßa.R. 18 | Mörser, je 8 Geschütze (21 cm)

    schwere Küstenmörser-Batterie β (30,5 cm) 2, Hauptmann von Theobald (2 Geschütze 30,5 cm)
    kurze Marinekanonen-Batterie γ (42 cm) 1, Hauptmann Solf (2 Geschütze 42 cm)

    b. Pi.Rgt. (Oberst Lehmann) | P.S.: Es gab nur ein bay. Pi.-Regt. ansonsten Batl.
    Pi.R 19 (Major Pampe) | mit Pi. Bel. Tr.

    Festungs-Maschinengewehrkompagnie Straßburg
    b. Feld-Luftschiffer-Abteilung
    Festungs-Fliegerabteilung-Germersheim
    Festungs-Telegraphen-Baukompagnie Germersheim
    Schw. Festungs-Scheinwerfergerät Straßburg
    1/3 b. Eisenbahn-Baukompagnie 2
    Förderbahneinheit 12 Straßburg
    Dampfpflugpark Straßburg.

    Es kam also eine stattliche Anzahl von 76 Geschützen zusammen, von denen allerdings in Wirklichkeit nur 56 überhaupt (zumindest zeitweise) zum Einsatz kamen, da das A.O.K. der 6. Armee für die heftigen Kämpfe bei Lunéville (Kampf um die "Trouée de Charmes") dauernd Artillerie-Einheiten anforderte. Zum Leidwesen von Artillerie-Kommandeur Kreppel zweigte Generalmajor von Brug laufend Art.-Einheiten ab und blockierte zunächst sogar die Beta- und Gamma-Batterien, die Kreppel überhaupt erst "losgeeist" hatte.
    Auf französischer Seite hatte man die Gleisbau-Maßnahmen bei Avricourt zwar bemerkt, aber man hatte die Gleise in der Zeit, als die frz. Armee das Gebiet ca. 14 Tage besetzt hielt, nicht zerstört.
    Die Auseinandersetzungen zwischen Kreppel und Brug hatten aber immerhin zu einer Verzögerung von mindestens einem Tag geführt. Kreppel hätte ja liebend gern die Kanonade bereits am 25. August
    (Namenstag König Ludwigs III.) aus allen Rohren beginnen lassen wollen. Immerhin ließ er es am 25. wenigstens mit den bereits einsatzfähigen s.F.H. 02 "krachen" und - wie man nunmehr aus französischen Quellen erfährt - hatte er dabei das Glück, dass er mit zwei Schüssen im Küchentrakt und im Lüftungssystem ziemlich lebenswichtige Teile des Forts traf.
    Die Fort-Besatzung, die vorher angeblich "ziemlich sorglos" auf dem Wall "herumturnte", wurde anscheinend völlig überrascht (Man rechnete eher mit einem Angriff aus Richtung Lunéville, da von dort Kanonendonner zu hören war.). Den noch verbliebenen Infanteristen des b. RIR 12 ( Das b. RIR 3 sowie ein Batl. b. RIR 12 und auch Pio.- Einheiten waren ebenfalls abgezogen worden) war nicht entgangen, dass die Verteidiger in den Gefechtspausen auf den Wällen verzweifelt nach Luft schnappten.
    Am 26. August war nunmehr auch von den ganz schweren Mörsern ( Batterie Hptm. Theobald; 30,5 cm in Chazelles und Batterie Hptm. Solf in Avricourt ) jeweils ein Geschütz feuerbereit.
    Die beiden Generals-Alpha-Tiere "zofften" sich nun gewaltig über die weitere Vorgehensweise. Während Kreppel alle Rohre (mittlerweile nur noch 28 !!!) auf das Fort selbst richten wollte, verlangte von Brug schließlich per förmlichem Befehl, das Glacis und eventuelle Minenfelder unter Beschuss zu nehmen. Den bayerischen Pionieren war von einigen "gewitzten" Saarburgern ins Ohr geflüstert worden, dass das Fort durch allerlei unterirdische Einbauten uneinnehmbar abgesichert sei. Sie hatten ganz offensichtlich die "Hosen voll", zumal für einen eventuellen Sturm nur noch zwei schwache Infanterie-Bataillone verfügbar waren.

    Kreppel hat nach Rücksprache mit den Artillerie-Kommandanten diesen Befehl mehr oder weniger ignoriert.
    Zum seinem Glück hisste die Fort-Besatzung bereits am 27. August um 16.35 Uhr die weiße Flagge.

    Munitionsverbrauch (laut Deuringer):

    979 Schuss s. F.H. 02 (15 cm)
    4596 " Mörser (21 cm)
    134 " β Mörser (30,5 cm)
    159 " γ Mörser (42 cm)

    Oberst Lehmann, Kommandeur des b. Pio.-Rgts., der sich als rangältester Offizier in unmittelbarer Nähe des Forts befindet, bespricht daraufhin mit Major Rocolle die ersten Übergabe-Formalitäten. Aus den Aufzeichnungen merkt man, wie heilfroh die Pioniere und Infanteristen über diesen Ausgang sind, aber dass die "Addollerie" den Erfolg für sich allein reklamieren kann, gestehen sie doch nur mit knirrschenden Zähnen zu.
    Auf französischer Seite wird die Übergabe des Forts natürlich unterschiedlich beurteilt. Kommandant Rocolle wird nach dem Krieg rehabilitiert, da eine wirksame Verteidigung des Fort nicht mehr möglich gewesen wäre. Oberst Lehmann bemerkt dagegen immerhin, dass es bei dem äußerst dürftigen Schützenschleier rund um das Fort ein Leichtes für die Besatzung gewesen wäre, aus dem Fort auszubrechen.

    Joseph

    Das bayerische Hauptstaatsarchiv hat mittlerweile eine Fotoserie online gestellt.
    https://www.gda.bayern.de/findmitteldb/Kapitel/212452

    Quellen:
    Bayerisches Kriegsarchiv; Waffen-Gedenkbuch der K.B. Schweren Artillerie; Die K.B. Schwere Artillerie im Großen Kriege 1914 – 1918, München 1918.
    Beilage 1; Die schwere Artillerie beim Angriff auf das Sperrfort Manonviller im August 1914.Von Genlt. a. D. Otto Kreppel; S. 708 – 718.

    Deuringer, Karl; Die Schlacht in Lothringen und in den Vogesen, Die Feuertaufe der Bayerischen Armee Bd. 2; München 1929; S. 507 ff.

    siehe auch: Regimentsgeschichten b. RIR 12; b. Pio.Rgt.
     
  4. Maxim

    Maxim Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Moin Joseph,

    wenn man sich die Luftbilder aus dem bayer. HStA ansieht, dann hat die "Addollerie" das Fort schon ganz hübsch umgegraben. Dann darf man auch schon kapitulieren.
     
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  5. T.Ehret

    T.Ehret Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

    Hallo,
    Danke Joseph für die gute Übersicht über die Belagerung.
    Grundsätzlich besaß das Fort Manonviller eine bedeutende Schwäche mit der höchsten Reichweite seiner Geschütze. Sie betrug etwa 7 km.
    Die deutschen Mörser (21 cm) und die schwersten Kaliber hatten schon eine größere Reichweite.
    Gruß, Thierry
     
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  6. Maxim

    Maxim Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Moin Kollegen,

    Die Übergabe einer Festung nach "nur" 3 Tagen Beschuß, einer kaputten Küche und "nur" 3 Toten auf Seiten der Festungsbesatzung, war nach den Maßstäben der Zeit natürlich erklärungsbedürftig.

    Für Deutschland galt hier §63 MStGB von 1872
    Mit dem Tode wird bestraft
    1) Der Kommandant eines festen Platzes , welcher denselben dem Feinde übergiebt, ohne zuvor alle Mittel zur Vertheidigung des Platzes erschöpft zu haben

    Ich vermute, der code penal militaire Frankreichs hatte eine ähnlich lautende Vorschrift.

    Thierrys Hinweis, Manonviller war den Angreifern artilleristisch nicht gewachsen, ist sicher richtig. Aber 1914 lautete der Vorwurf vermutlich: chef de bataillon Rocolle hat das Fort übergeben, bevor alle Mittel erschöpft waren.
     
  7. T.Ehret

    T.Ehret Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

    Hallo Thomas,
    Schon recht. Momentan erreiche ich den Règlement über die Feste Plätze nicht, aber es war ähnlich wie in Deutschland.
    Hinzusagen kann man auch, daß die Betonierungsarbeiten (einfacher Beton, nicht armiert) war der deutschen schweren Artillerie ebenso nicht gewachsen.
    In seiner Studie schreibt Benoît, daß die Mannschaften völlig erschöpft waren, mit Nerven sowie durch die schlechte Lüftung. Später (1916) wurde im Fort Moulainville erfahren wie die Sprenggase ganz schlecht wirkten. Das war wahrscheinlich ebenso der Fall in Manonviller.
    Gruß, Thierry
     
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  8. kb_rir2

    kb_rir2 Sehr aktives Mitglied / Sponsor AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Guten Abend,
    hier sind wir natürlich an einem "wunden Punkt", der sich leidvoll durch die deutsche Geschichte des letzten Jahrhunderts zieht. Wie wird "ohne zuvor alle Mittel zur Vertheidigung des Platzes erschöpft zu haben" interpretiert.
    Ein Volk, das nur "tote Helden" kennt bzw. achtet, subsumiert unter alle Mittel ganz offensichtlich auch Menschenleben. Wozu aber sollen diese "erschöpft" werden, wenn sinnvoller Widerstand nicht mehr möglich ist. Lassen wir einmal die Tatsache außer Acht, dass ein Ausfall - siehe Aussage des bayerischen Pionier-Kommandanten - womöglich erfolgreich gewesen wäre. Die internen Berichte aus dem Fort zeigen allerdings, dass man völlig von der Außenwelt abgeschnitten war. Die Belüftungsanlage funktionierte nicht mehr. Eine Munitionskammer war aufgerissen worden, der nächste Treffer an derselben Stelle und ein gesamter Trakt wäre in die Luft geflogen. Die wenigen Brieftauben, die man noch einzusetzten versuchte, wurden - laut Garnison - von den bayerischen Truppen bereits beim Abflug abgeschossen (Na ja, Bayern und die Wilderei !!). Nach den französischen Angaben flüchteten sich kurz vor der endgültigen Einschließung auch noch einige französische Dragoner in das Fort und wussten Schauergeschichten von der "riesigen Streitmacht", die sich auf das Fort zubewegen würde.

    Eine Kommission in Nancy beurteilte die Lage deshalb wie folgt. Aber wie man sieht gehen auch in Frankreich die Meinungen auseinander:

    Le Conseil de Guerre réuni le 15 mai 1920 à Nancy, lava de tout soupçon le Chef de Bataillon Rocolle, Gourverneur désigné du Fort. Il fut reconnu que le fort n’était pas en mesure de résister plus longtemps à ce terrible pilonnage ennemi et que par sa configuration et ses équipements obsolètes il était voué à une
    capitulation inévitable.
    La vaillance de la garnison fut reconnue ; mais, plus de 90 ans après, le mot « trahison » est encore d’actualité en Lorraine.


    Der Kriegsrat tagte am 15. Mai 1920 in Nancy, und sprach den Bataillonskommandeur Rocolle, designierter Gouverneur des Forts, von jedem Verdacht frei. Es wurde erkannt, dass das Fort nicht mehr in der Lage war
    diesem schrecklichen feindlicher Beschuss zu widerstehen. Er [Rocolle] war zum Scheitern verurteilt, weil die Anlage und die Ausrüstung des Forts veraltet waren. Die Kapitulation war dadurch unvermeidlich.
    Die Tapferkeit der Garnison wurde anerkannt, aber, mehr als 90 Jahre später steht das Wort „Verrat“
    in Lothringen immer noch im Raum.

    Im Fort selbst gab es offensichtlich heftige Diskussionen. Rocolle setzte sich aber schließlich mit seiner Meinung durch. In einem emotionalen Statement, das - typisch französisch - mit "Mes enfants" [Meine Kinder] beginnt, begründet er seine Entscheidung mit seiner Verantwortung für die Menschenleben, die nicht sinnlos geopfert werden sollen.

    Ein Artillerist beschreibt die Situation, wie folgt:

    In der Zwischenzeit war die Möglichkeit erwogen worden, die Garnison zu verlassen, um die französischen Linien – wenn möglich - zu erreichen. Dieser Plan wurde verworfen, da das Fort von feindlichen Truppen umstellt war. Die Garnison hätte sich nutzlos geopfert. Kein Mann wäre vermutlich durchgekommen. Dies war jedoch die von einem großen Teil der Garnison bevorzugte Lösung. Viele hatten Tränen in den Augen,
    als sie sahen, wie die weiße Flagge vorbereitet wurde, um über dem Fort zu wehen. Ein paar Stunden
    danach, am 27. August um 4 Uhr abends, war es vollbracht. Die Übergabe erfolgte. Ich will aber darüber nicht mehr sprechen. Das sind zu traurige Dinge. Diese so erlebten Stunden möchte ich am liebsten aus meinem Leben bannen.

    So ganz unbekannt war eine gewisse Vernunft indes auch auf bayerischer Seite nicht. Vermutlich rettete dies meinem Großvater das Leben. Sein Bataillon hatte ein gegnerisches Bataillon vernichtet und drohte nach zwei Tagen - nunmehr ohne Munition - eingeschlossen zu werden. Die eigene Artillerie (in diesem Fall preußisch !) begann auf sie zu schießen. Da entschloss sich ein Offizier zur Kapitulation:
    clery_gefangennahme_JMO_div66.png

    Ein Offizier des b. RIR 2 kam als Parlamentär mit einer weißen Fahne, um sich mit seiner gesamten Kompagnie dem 152 RI zu ergeben.

    Eine Handlung, die leider im WW II seltener wurde.

    Joseph
     
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  9. Maxim

    Maxim Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Moin Joseph,

    Du übersetzt "Le Conseil de Guerre" mit Militärrat. Im Französischen gibt es aber noch eine andere Bedeutung: Nämlich "On utilise également le terme comme synonyme de tribunal militaire."
    In diesem Sinne ist der Begriff hier wohl zu verstehen.

    Nach dem glorreichen Sieg Frankreichs 1918 und nach seiner Kriegsgefangenschaft hatte sich also der Chef de bataillon Rocolle vor dem Militärtribunal in Nancy für seine Rolle bei der Übergabe des Forts Manonviller an die Deutschen zu verantworten.

    Das Militärtribunal hatte zu entscheiden, ob ein französischer Stabsoffizier den ihm anvertrauten befestigten Platz übergeben hat , ohne das alle Mittel zu seiner Verteidigung ausgeschöpft waren?
    Hat also dieser französische Stabsoffizier in den ersten Wochen des Krieges einen Schandfleck auf der Fahne Frankreichs hinterlassen?

    Das Militärtribunal kam zu dem Ergebnis, dass dem natürlich nicht so war. Verständlich.

    40 Jahre und einen Weltkrieg später wird wieder eine französische Festung verteidigt.
    Rund 15000 französische Soldaten verteidigen 1954 Dien Bien Phu in aussichtsloser Lage, in einer schlecht vorbereiteten Stellung und unter dem "terrible pilonnage ennemi". Auch die Flugzeuge kommen nicht mehr durch.
    Dennoch dauerte das Ganze 57 Tage, kostete auf französischer Seite durch unmittelbaren Kampfeinsatz 1500 Tote und 3500 Verwundete. Am 8 Mai kapitulierte der französische Kommandant. Von seinen Vorgesetzten war ihm ausdrücklich verboten worden, die weisse Flagge zu hissen.

    Deine Frage, was mit "allen Mitteln" bedeutet, wurde also auch aus Sicht des französischen Militärs, durchaus unterschiedlich beantwortet

    Gruß
    T









     
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  10. T.Ehret

    T.Ehret Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

    Hallo Joseph,
    Die (schon veraltete aber trotzdem gut dokumentiert) Webseite
    http://fort-de-manonviller.fr/
    schildert die Geschichte mit Detaillen. Ich will nicht streiten, daß die Bayern ausgesuchte Taubenschießer waren, aber die Geschichte mit den Tauben sieht etwas anders aus:
    "Plusieurs tentatives sont faites pour envoyer des messages à TOUL avec les pigeons, mais ils ne peuvent et ne veulent quitter le pigeonnier, tant l'atmosphère est acre et sombre."
    Mehrere Versuche sind mit Tauben gemacht, um Meldungen nach Toul zu schicken, aber die Tauben wollen den Taubenschlag nicht verlassen, wegen schlechtem und dunklem Luft.
    Geschildert ist auch, daß die Besatzung entschlossen hatte, den Fort zu verlassen. Es sah aber ganz hoffnungslos aus, deswegen kam es zur Übergabe.
    Gruß, Thierry
     
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  11. Maxim

    Maxim Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Moin Thierry,

    Der Kommandant von Manonviller wird 1920 vor ein Conseil de Guerre gestellt.
    Der Kommandant der am 26. August 1914 gefallenen Festung Longwy , Oberstleutnant Natalis Constant Darche, wird 1920 zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt.

    Weißt du, ob es da ausser den Tauben, noch andere Gründe für die Ungleichbehandlung gab?

    Gruß
    T.
     
  12. T.Ehret

    T.Ehret Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

    Hallo Thomas,

    Der Fall habe ich nicht tief geforscht. N. Darche war schon seit dem 17.09.1901 Ritter der Ehrenlegion. Er wurde erst Kommandeur am 9.7.1920. Darche wurde zunächst im Jahr 1917 (während seiner Gefangenschaft) außer Dienst gemacht, dann endgültig im November 1919. In den Unterlagen der Ehrenlegion steht, daß er die Verteidigung des Festungsplatzes Longwy "aus der Zeit von Vauban stammend" organisiert hatte, und alle Verteidigungsmittel erschöpft hatte. Ich denke, die Bedingungen der Übergabe wurden auch nach dem Krieg untersucht. Als es um eine ganz veraltete Festung handelte, war die Übergabe als politisch-militärischen Gründen nicht so ernst betrachtet wie bei Manonviller.

    Gruß, Thierry
    (PS: für Offiziere, sollte man nicht übersetzen "conseil de guerre" mit Ehrengericht?)
     
  13. Maxim

    Maxim Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Moin Thierry,

    Genau.
    Darche ist Kommandant einer Festung aus der Vauban Zeit
    Er hält diese wirklich veraltete Festung 3 Wochen gegen einen- diesmal wirklich stark überlegenen Feind.
    2 mal hat man Darche zur Übergabe der Festung aufgefordert. 2 mal lehnt er ab.
    Darche hat damit wirklich "alle Verteidigungsmittel" ausgeschöpft und starke Feidkräfte gebunden.
    Dafür wird er 1920 Kommandeur der Ehrenlegion.

    Rocolle befehligt ein Fort, das bis 1913 gründlich modernisiert wurde.
    Er übergibt sein Fort nach 3 Tagen an einen Feind, der stärker auftrat, als er wirklich war.
    1920 steht Rocolle dafür vor einem conseil de guerre.
    (Dreyfus stand vor dem Premier conseil de guerre in Paris, mit den bekannten Folgen).

    Darche schien dabei die Erwartungen der Zeitgenossen an einen Festungskommandanten vollumfänglich erfüllt zu haben.
    Bei Rocolle war man sich dabei anfangs noch nicht so sicher.

    Gruß
    T
     
    Zuletzt bearbeitet: Apr. 15, 2023
  14. kb_rir2

    kb_rir2 Sehr aktives Mitglied / Sponsor AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Hallo Thierry,
    vielen Dank. Ja, mein Französisch hat doch schon sehr gelitten (Ich war kein Französisch-Lehrer). Dann muss wohl der "Verfassungsrat", wie er in den deutschen Nachrichten genannt wurde, auch eher Verfassungsgericht heißen.

    Es gibt derzeit übrigens einige neuere Texte zu Manonviller:
    https://www.memorialgenweb.org/document ... 122157.pdf
    sowie
    https://www.memorialgenweb.org/document ... 014144.pdf

    Ein gewisser Olivier Petit schreibt derzeit ein Buch "Joseph, un artilleur dans la Grande Guerre, du Fort de Manonviller à la captivité". Es soll im Juni erscheinen. Im Moment versucht er noch etwas über seine Gefangenschaft in Landshut (auch Puchheim) zu erfahren.

    cdlt.
    Joseph
     
  15. kb_rir2

    kb_rir2 Sehr aktives Mitglied / Sponsor AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Hallo,
    als ich das geschrieben habe, war mir gar nicht bewusst, dass ich unzählige Stunden auf der Feste Oberhaus zugebracht habe, die auch heute noch majestätisch über meiner Heimatstadt thront.
    Veste Oberhaus.png

    Dort hatte sich im Januar 1742 ein Ereignis zugetragen, das vielleicht Verantwortlichkeit und Versagen eines Festungskommandanten etwas genauer und unzweifelhaft beschreibt. Obristlieutenant Platin verlor dabei sein Leben.
    Hintergrund war der sog. Österreichische Erbfolgekrieg (1740 ff). Kaiser Karl VI war ja ohne männlichen Erben gestorben und so versucht er seine Tochter Maria Theresia auf den Thron zu heben, obwohl insbesondere die Reichskrone nach der Goldenen Bulle nur dem "mannsgeslecht" zustand. Obwohl Bayern mehr oder weniger vor dem Bankrott stand, ließ sich Kurfürst Karl Albrecht (auf französische und preußische Hilfszusagen hin) zum Kaiser wählen.
    Unter dem Kommando des legendären Feldmarschalls Reichsgraf von Khevenhüller marschierten österreichische Truppen im Winter 1741/42 in Bayern ein. Oberstlieutenant Johann Daniel von Mentzel sollte sich im Auftrag Khevenhüllers um die Feste Oberhaus (Passau) "kümmern".

    In einem Schreiben an den Festungskommandanten Platin " fasst er seine Forderung dahin zusammen, dass, woferne Gegenwehr gebraucht werden und nicht binnen vier Stunden der Entschluss zu übergeben erfolgen sollte, er mit seiner Artillerie (…) an der Spitze vorrücken werde.
    Auch engagirt er sich dabei mit seinem "Cavaliers Entschluss," dass, falls von ihm 10 Mann verloren gehen sollten, er Niemanden Pardon ertheilen, sondern Alles den Waffen seiner Hussaren, Raizen (das sind Serben), Croaten, Panduren und Licanern geopfert werde, wie es bereits den churbayerischen Truppen an der Enns und Steyr geschehen."


    (Mit derlei Drohungen scheint Mentzel sehr erfolgreich gewesen zu sein, denn aus anderen Quellen weiß man, dass die sog. „bayerischen Landfahnen“, die das etwas mickrige bayerische Heer unterstützen sollten, gar nicht antraten, weil Mentzel verlautbaren ließ, dass er jedem „Nase und Ohren“ abschneiden werde, der es wagte, zu den Waffen zu greifen.)

    Die Verhandlungen zogen sich einige Tage hin, wobei man wissen muss, dass die österreichischen Truppen in der Zwischenzeit erhebliche Teile Bayerns eingenommen hatten.

    Daraufhin stellte Mentzel am 25. Januar 1742 dem Festungskommandanten ein weiteres ultimatives Schreiben zu, das u.a. „die Permission“ [enthielt, er möge], ein paar verständige officiers nach dem Closter St. Nicola (heute Universität Passau) senden, um diejenigen instrumenta betrachten zu lassen, welche hoffentlich im Stande seien, die Festung, den Commandanten und sein ganzes Commando zu zwingen, sich zu ergeben."

    Obwohl seine Offiziere eine Kapitulation ablehnten, leitete Platin nunmehr Kapitulationsverhandlungen ein, die einen weitgehend ehrenvollen Abzug ermöglichten. An seiner endgültigen Entscheidung beteiligte er seine Offiziere nicht. Bereits im Mai 1742 musste er sich vor einem Kriegsgericht verantworten.

    Am 18. Mai wurde über Platin "wegen allzuvoreiliger Uebergabe des Oberhauses" Kriegsrecht abgehalten, (…) weil Platin in Defendirung mehrgedachter Vestung des Oberhauses nicht allein seine Schuldigkeit nicht gethan und wider die wiederholt gehabten ordres und instructions, so darin bestanden, sich bis auf den letzten Mann zu wehren, höchst sträflich gehandelt, sondern wohl gar selben festen Platz ohne Erwartung einiger Gewalt, sohin ohne Schuss dem Feinde abgetreten und übergeben."
    Laut „Endt Urtl“ vom 21. Mai 1742 wurde Platin seines überschweren Verbrechens halber in Conformität der Kriegs-Artikel, der allgemeinen Rechte und in und ausser dem Römischen Reiche hergebrachten Kriegsgebräuche zum Tode verurtheilt, darauf die Strafe an demselben Tage in der Kaiserlichen Regierungsstadt Straubing "exequiret".


    In diesem Fall, hätte der "VAR" vermutlich auch nicht eingegriffen. Das Gericht ließ dem Kommandanten im Übrigen erstaunlich viele Möglichkeiten zur Verteidigung.

    Joseph
     
    Zuletzt bearbeitet: Apr. 16, 2023
    Amberg und Ruhrpottpreuße gefällt das.
  16. Ruhrpottpreuße

    Ruhrpottpreuße Administrator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenAdmin AbzeichenSponsorNeu

    Hallo!
    Der o.g. Hauptmann Solf schrieb als Major das Buch "42cm - Zwei Kriegsjahre einer 42cm Batterie".
    Er schreibt, die Batterie habe 158 Schuß abgefeuert. Wie kommt Deuringer an die absolut übertriebene Anzahl von 159?:D
    20230416_073749.jpg
     
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  17. T.Ehret

    T.Ehret Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

    Hallo,
    Nach franz. Zeugnis gab es ein (42 cm) Blindgänger. Vielleicht die Abklärung vom Unterschied?!!
    Gruß, Thierry
     
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  18. Ruhrpottpreuße

    Ruhrpottpreuße Administrator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenAdmin AbzeichenSponsorNeu

    Bingo! Das dürfte es sein. Macht Sinn!
    Sehr gut, Thierry!
     
  19. kb_rir2

    kb_rir2 Sehr aktives Mitglied / Sponsor AbzeichenUser AbzeichenSponsorNeu

    Hallo, Thierry,
    zu meiner und der mutmaßlich oberbayerischen Wildschützen "Ehrenrettung" hier die Passage, auf die ich mich in Sachen "Tauben-schießen" gestützt habe:

    tauben_schießen.png
    Das Pionier-Regiment stammte überwiegend aus dem bayerischen "Oberland". Bei uns in Niederbayern war ja Wilddieberei vö..:D..ööllig unbekannt.
    Cdlmt
    Joseph
     
  20. T.Ehret

    T.Ehret Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

    Hallo Joseph,
    Schon gut. Ab wann genau ist mir nicht bekannt, aber schon früh gab es Eroberungsgeld (irgendwo anders auf dem Forum besprochen) für die erbeuteten Tauben (und die getragenen Meldungen), und nicht ausschließlich durch Bayern. Es war auch Krieg gegen die Tiere.
    Cordialement, Thierry
     
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