Erstmal großes Lob an das Katasteramt hier in Wilhelmshaven, die mir erstklassige Kopien alter Karten zur Verfügung stellten! Eine kundenfreundliche, engagierte Behörde! Auf den Karten sind die Besitzverhältnisse von Flurstücken verzeichnet; wollte ich wissen im Zusammenhang mit weiteren Recherchen zur Festungslandflugstation. Da ergab sich nun aber eine Frage: ich weiß, das große Teile des fraglichen Gebiets vom preußischen Marinefiskus aufgekauft wurde. Auf einer der Karten mit Stand 1913 aber ist als Besitzer nicht etwa die Kaiserliche Marine, sondern das Reichsministerium des Innern eingetragen. War das so üblich? Wurde irgendwann Gelände im Besitz des Militärs allgemein auf das Innenministerium übertragen?
Moin Frank, Wenn du dich für die Eigentumsverhältnisse interesierst, musst du dich ans Grundbuchamt wenden. Die Kataster sind nur technische Verzeichnisse (Lage,Größe,Nutzung) Wenn du wie du schreibst, dass das Gelände vom preussischen Marinefiskus erworben wurde, deutet das darauf hin, dass der Kauf vor 1867 erfolgt ist (danach Marine des Norddeutschen Bundes,kaiserliche Marine). Wenn du weiter schreibst, 1913 sei Eigentümer das Reichsministerium des Inneren gewesen, so deutet das darauf hin, dass das die Rechtsverhältnisse nach dem Februar 1919 beschreibt. Das Kaiserreich kannte nur ein Reichsamt des Inneren unter einem Staatssekretär. Die nach 1919 nicht mehr benötigten Immobilien der einzelnen Kontingentstruppen gingen an die Einzelstaaten, die sie teilweise an die Kommunen weitergaben. Der Immobilienbesitz der Reichsbehörden (zB kaiserl. Marine) wurde vom Finanzministerium verwertet. Warum sich dafür dann das Innenministerium interessierte, müsste man an Hand der Nutzung während der Weimarer Zeit klären.
Moin, das mit dem Reichsamt statt Reichsministerium des Inneren ist richtig, ein Versehen von mir. Es geht ausschließlich um die Besitzverhältnisse bis Ende 14/Anfang 15. Ansonsten: jo, ich schrub ja das preußische extra in fett, um so deutlich zu machen, das sich das Gelände schon lange im Marinebesitz befand. Bislang bin ich davon ausgegangen, das dies bis zum Ende des Krieges der Fall war. Das war aber nicht der Fall, es ging halt noch vor dem Krieg auf das Reichsamt über. Die Einträge auf den Karten spiegeln die Besitzverhältnisse wieder. Das Grundbuchamt ist erst ab dem Jahr 1910 zuständig. Letztlich ist es mir nicht wichtig zu erfahren, wann das Gelände von der Marine an das Reichsamt überging. Mich interessiert, ob das sonst auch der Fall war, dass das Militär irgendwann anno Muff selbst Gelãnde angekauft hat, welches dann auf das Reichsamt überging. Ich weiß nicht, ob Wilhelmshaven bzw. das Jadegebiet ein Sonderfall war. Der Marinefiskus hat zusätzlich zum preußischen Landkauf 1853 zur Errichtung des Kriegshafens eine ganze Menge Land zusätzlich gekauft oder auch gepachtet. Sollte es üblich gewesen sein, das Marine- (oder allgemein Militär)besitz ans Reichsamt ging, wäre das in dieser Hinsicht eine interessante stadtgeschichtliche Info. Auf dem fraglichen Gelände war ab 1912/13 Wohnbebauung geplant. Tatsächlich wurde das Gelände 1913 zunächst an einen Bauverein verpachtet. Das ging dann in die Binsen wegen Kriegsausbruch und der Anordnung zur Erbauung der Landflugstation. Jetzt könnte man meinen, das wegen der Wohnungsbauplanung der Besitz an das Reichsamt überging - allerdings, so die bislang übliche stadtgeschichtliche Überlieferung auch in ernstzunehmenden Schriften, war es der Marinefiskus selbst, der Ländereien an Bauvereine zum Wohnungsbau verpachtete. Noch mal zum Verdeutlichen: es geht ausschließlich um Ländereien, NICHT um Immobilien. Das diese nach dem Krieg vom Finanzministerium verwaltet wurden, ist mir schon bekannt, es gibt reichlich digitalisiertes Aktenmaterial über Immobilienverkäufe in den Nachkriegsjahren. ich hoffen, ich habe einigermaßen übersichtlich geschrieben
Moin Frank, Ein bei Laien weit verbreiteter Irrtum. Juristen gehen von der, seit 1896 §94 Abs.1 BGB verankerten Legaldefinition aus. Musst du mir nicht glauben, lies es auf Wiki nach Nach § 94 Abs. 1 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks „die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude“. Das heißt, dass unter dem Begriff der „Immobilie“, anders als im allgemeinen Sprachgebrauch, nicht nur das Bauwerk bzw. Gebäude zu verstehen ist, sondern ebenso das Grundstück.[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Immobilie Das Reichsamt des Inneren war auch zuständig für die Wohnungsfürsorge. https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/MDFZKWFOKCJXVTCXUIKI2WELNIKI2AQL Mag sein, dass hier vom Reichsmarineamt vor 1914 nicht benötigte Liegenschaften an das Reichsamt des Inneren abgegeben wurde. Da könnte dann auch noch ein öffentlich rechtlicher Vertrag existieren. Dazu musst du aber ins Grundbuch schauen. GBO in Preussen seit dem 01. Januar 1900 in Kraft. 1910 war Bayern. Die wirklich prickelnde Erotik solcher Übertragungen wird sich aber vermutlich nur dem Rechtshistoriker in ganzer Breite erschließen.
Hi, wenn die Begrifflichkeiten jetzt stimmen müßte die Eigentumsübertragung ja vor 1867 stattgefunden haben, denn ab dann wäre der Eigentümer ja die Marine des Norddeutschen Bundes, wie Maxim bereits schrieb. D.
Moin Maxim, Danke für ausführlichen Erläuterungen. und im Großherzogtum Oldenburg? weitere Besonderheit des Jadegebiets: die Marineanlagen befanden sich im preußischen Wilhelmshaven und in der direkt angrenzenden oldenburgischen Stadt Rüstringen bzw. deren Vorgãnger (Heppens, Bant und Neuende, 1911 zur Stadt Rüstringen vereint) Aussage von der Dame im Katasteramt: Besitzverhältnisse im Grundbuchamt ab 1910. Aber ich will mich da nicht streiten, du wirst natürlich recht haben, keine Frage. Und wie gesagt, die Einträge auf den Karten (Stand 1910 und 1919 sowie ohne Besitzeinträge 1915) decken sich voll mit meinen bisherigen, mühselig gefundenen Informationen. Abgesehen eben Reichsamt statt Marinefiskus
Also, nun, mir ist natürlich klar, das 1914 nicht mehr die Preußische Marine Besitzer war. Es erscheint mir aber durchaus nicht unwahrscheinlich, das Besitzungen an deren quasi Rechtsnachfolger oder wie immer man das nennen will, übergingen
Das ist sicher richtig, aber um zu bestimmen wann diese Übertragung stattfand, könnte man natürlich die Bezeichnungen zur Eingrenzung verwenden. Aufschluß gibt letztlich nur der Blick ins Grundbuch, wie von Maxim angeregt. D. PS: Habe gerade die Karte gesehen. Verstehe, was Du meinst. Wahrscheinlich wurden die Bezeichnung nicht dem jeweils aktuellen Stand der Eigentumsverhältnisse angepaßt.
Verzeihung, ich habe vorschnell gepostet… Der erste Kartenausschnitt mit der Besitzanzeige der Preuss. Marine entstammt einem als Buch veröffentlichten Kartenwerk, ist also keines der Karten, die ich vom Katasteramt erhalten habe. Der genaue Stand der Karte ist unbekannt, aber auf alle Fälle vor 1900. Der zwote Kartenausschnitt ist Stand 1910. Und nochmal: mir ist es eigentlich wurscht zu erfahren, wann genau das Gelände den Besitzer wechselte. Ob das nun 1867, 1897 oder 1906 oder wann auch immer war, spielt keine Rolle! Von daher kann ich mir den Gang zum Grundbuchamt sparen. Mir geht es generell darum, ob das so üblich war; ob also Grundbesitz der Marine/Militär „irgendwann“ ans Reichsamt überging!
So, bin hier einen Schritt weiter. Der Preussische Marinefiskus kaufte die Parzellen im betreffenden Flur schon 1853 - in jenem Jahr, als der Jadevertrag abgeschlossen wurde, die Grundlage für das spätere WHV. Dieser Flur, ein gutes Stück entfernt von der festgelegten oldenburgisch-preussischen Grenze, verblieb hoheitlich beim Großherzogtum. Die Parzellen wurden seitens des Fiskus verpachtet. So weit, so gut. 1894 schließlich verkaufte der Fiskus - aus welchen Grund auch immer - alle in seinem Besitz befindlichen Parzellen an einen Landwirt. 1911 dann kaufte das Reichsamt des Innern das Gelände wieder auf, zwecks Bau der Arbeiterkolonie, s.o. Der Landwirt machte dabei einen satten Gewinn von bummelig 700.000 Mark.