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gelöst Suche Clairière des Frères Anciaux

Dieses Thema im Forum "Schnell gefragt" wurde erstellt von mexico81, Sep. 8, 2019.

  1. Charlie

    Charlie Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

    Stimmen fast überein 50770838-E417-452B-A284-05F0AC651CB2.jpeg
     
  2. mexico81

    mexico81 Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser

    Das ist echt Klasse! Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!

    Ja, dann ist die Karte von 1917. Und glücklicherweise konnte ich auch Aufzeichnungen finden, die dazu passen. Das Blockhaus spielt darin eine wichtige Rolle!
    Es ist echt unfassbar und freut mich sehr, wie man eine Karte ohne weitere Beschreibung dann doch genau zuordnen kann!

    Hier eine Schilderung von Assessor Dr. Schwens, ehemals IR69

    Am Winterberg 1917

    Seit einigen Tagen liegt die Sturmabteilung der 15 I. D. in Mauregny. Wir sind im Operationsgebiet unmittelbar hinter der Front, dort wo vorne die große Schlacht geschlagen wird, um die Eroberung des Chemin des Dames, die große Doppelschlacht an der Aisne und in der Champagne, wie sie amtlich heißt.
    Jeden Morgen geht es zum Dorf hinaus zur Übung mit scharfer Munition: Dort ein markiertes Blockhaus!...wird im Sturm genommen; dann ein Laufgraben, 20 m lang!... wird im Nu gesäubert; jetzt die zweite Linie!...Stoßtrupp 1 nach rechts, Stoßtrupp 2 nach links! - So geht es jeden Tag, immer in derselben Reihenfolge.
    Nach einigen Tagen zeigt uns der Abteilungsführer, Ltn. Schmieding, I.R. 160, eine Karte der franz. Stellung, die nach Fliegeraufnahmen gezeichnet ist. Auch dort ist ein Blockhaus, ein Laufgraben, 20 m lang, dann die 2. franz. Linie. Wir wissen genug. Am 1. Juni wird gerüstet zum Sturm.
    Es gilt den Winterberg zu stürmen...

    Für Bedarf an weiterer Schilderung bräuchte ich etwas Zeit.
     
  3. Ruhrpottpreuße

    Ruhrpottpreuße Administrator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenAdmin AbzeichenSponsorNeu

    Die Zeit geben wir Dir gerne! :D
     
    mexico81 gefällt das.
  4. mexico81

    mexico81 Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser

    Dann noch etwas weiter.
    Die, die alles in einem Schwung lesen wollen sollten noch etwas warten. ;)

    ...Am 02. Juni, mittags, Generalappell auf einer Wiese am Westausgang des Dorfes. Der Brigadekommandeur, Generalmajor Hucke, hält eine Ansprache. Ich habe davon nur das eine verstanden, dass eine Artillerievorbereitung das Unternehmen einleiten würde, wie die Welt bisher noch keine gesehen. - Die Zeit bis zum Abmarsch wird uns unendlich lang. Vorsorglich wird nochmals jede einzelne Handgranate nachgesehen.

    Gegen 11 Uhr abends endlich erschienen 2 Lastautos, die unsere rund 60 Mann starke Abteilung, geführt von Leutnant Schmieding und Lt. d. R. Streit (8. Pio.) nach vorn bringen, dazu 4 Flammenwerfer der Gardepioniere. Die Fahrt geht über Festieux nach Arrancy, Mitternacht ist vorüber. Im Gänsemarsch geht es querfeldein, an einem zerschossenen Kloster vorbei, in dessen Kellern, soweit mir erinnerlich, der Stab I.-R. 69 residierte. Jetzt steigen wir in die Niederung hinab. Dieser Trümmerhaufen war ehemals das Dorf Bouconville. Auf schmalem Steg hinüber über den Lettebach (Ailette) rechts in einen Hohlweg hinein zum K. T. K. I.-R. 160, wo unser Führer die letzten Weisungen erhält.

    Gegen 2 Uhr geht die Höhe hinan zur Ausgangsstellung, die vom I.-R. 160 scheinbar nur schwach besetzt ist. Schätzungweise 40-50 m vor uns auf dem Kamm hat der Franzmann sich eingenistet. Zu unserer Rechten ein tiefes Tal, dass nicht besetzt schien. Im Grunde unten musste Sandere liegen und auf französicher Seite Craonelle. Rechts anschließend hatte I.-R. 69 besetzt. Nach einigem Suchen in der Dunkelheit, dabei über gefallene Baumriesen stolpernd, sind einige geeignete Granattrichter gefunden, die während der nächsten 3 Stunden meinen Stoßtrupp und 4 Mann Garde-Pioniere mit einem Flammenwerfer beherbergen sollen. Einen Steinwurf weit zur Linken, in einem Hohlweg, liegt der Haupttrupp unserer Abteilung unter Ltn. Schmieding. Zunächst ist es auffallend ruhig. Wie stumme Wächter ragen zersplitterte Baumstämme gen Himmel. Hin und wieder eine aufsteigende Leuchtkugel, die im weiten, dunklen Raum zerflattert……Flüsterstimmen, …….das Klappern von Seitengewehr und Schanzzeug.
    Dann wird der Bann gebrochen.
    ...
     
  5. mexico81

    mexico81 Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser

    Und der Rest.

    Die ersten Salven unserer Artillerie gehen weit rückwärts in französisches Hinterland. Anscheinend Gasgranaten für die französische Artillerie. Kaum 40 m vor uns ein Zischen: Eine französische Leuchtrakete, die ihrerseits Sperrfeuer anfordert. - Wir sind näher an den Feind geraten als uns lieb ist. Unser Sperrfeuer liegt auf der 1. französischen Linie. Die Sprengstücke unserer Granaten sausen über uns hinweg. Der Feind schleudert vorerst Minen und Gewehrgranaten, denen wir in unseren Linien schutzlos preisgegeben sind. Unser Artilleriefeuer wird stärker. Die Artillerie mehrerer deutscher Divisionen, verstärkt durch zahlreiche Batterien schweren und schwersten Kalibers schleudern ihre Geschosse auf das Fleckchen Erde vor uns. Auch die französische Artillerie ist mittlerweile wach geworden und legt Sperrfeuer auf unsere Ausgangsstellung. Dazu bestimmt, dem Angreifer die Krallen abzuschlagen. Unsere Lage wird verzweifelt. Wegen der Nähe der französischen Linie trifft unser Artilleriefeuer zum großen Teil uns selbst. Zeichen zu geben ist Unsinn. Alles ist in undurchdringlichen Pulverdampf gehüllt. Wir unterscheiden nicht mehr Abschuss noch Einschlag, nicht mehr deutsche und französische Granaten. Alles geht ineinander über. Der Kopf droht uns zu zerspringen. Unaufhörlich fallen Klumpen aufgerissenen Erdreichs auf uns nieder.
    Das ist die Hölle vor dem Sturm!
    Plötzlich die Nachricht von irgendwem: Ltn. Schmieding ist gefallen. - Nur nicht denken! Das Artilleriefeuer scheint immer noch stärker zu werden. Wir wühlen uns förmlich in die Erde hinein, die Finger in den Boden gekrallt, das Gesicht hineingepresst in fremde Erde, die geweiht ist vom Blute der Unsern. Wir alle haben nur den einen Wunsch: Wäre es doch nur 5.32 Uhr. Augenblick befreienden Vorwärts stürmens.
    Endlich ist die Hölle vorbei. 5.32 Uhr: Ich stürze heraus aus dem Loch. Hinter mir meine Leute mit dem Flammenwerfer. Zur Seite ein weiterer Stoßtrupp unter Unteroffizier Jürgens, I.-R. 160. Alles drängt in den Hohlweg, der hinaufführt zum Kamm. Unser Artilleriefeuer liegt auf der 2. Feindlichen Linie. Da vor uns ein französisches Maschinengewehr. Die Bedienung hat ausgehalten. Wir überschütten sie mit einem Hagel aus Handgranaten. Der Flammenwerfer wird noch im Krachen dieser Handgranaten vorgeschoben und spritzt seinen Inhalt gegen das M.-G.-Nest. Die Bedienung flieht, wir sind im ersten feindlichen Graben. Tornister, Mäntel, Weißbrot, Fleisch - alles liegt durcheinander. Offenbar ist in dieser Nacht Proviant empfangen. Es kostet einige Mühe, dass meine Stoßtrüppler diese Dinge unbesehen liegen lassen. Von allen Seiten einsetzendes M.-G.-Feuer belehrt uns, dass wir harten Widerstand brechen müssen. Jetzt gabelt sich der Graben, der übrigens nur 1 m tief und trotz des Artilleriefeuers leidlich erhalten ist. Ein Stoßtrupp biegt rechts ab, zum Blockhaus hin, wir anderen stürmen vorwärts zur 2. Linie, jeden Widerstand durch Handgranaten brechend. Jetzt sind wir ohne allzu große Verluste in der 2. Linie. Wie vorher bestimm, geht es links den Graben entlang. Jedes Grabenstück wird mit Handgranaten gesäubert. Auch im Nachbarabschnitt scheint Erfolg das Unternehmen zu begleiten. Prächtig ist es anzusehen, wie die Schützenlinie über den Kamm vorgeht, während die Bajonette in den jungen Tag hinein blitzen. Der Stoßtrupp rechts von uns scheint nicht vorwärts zu kommen: Das Blockhaus ist nicht genommen, unaufhörlich schießen aus ihm Maschinengewehre. Flieger surren in der Luft, kaum 50 m über uns. Weiter vorwärts können wir nicht, denn die Handgranaten sind bald alle. Wo nur die 160er so lange bleiben, die uns doch auf dem Fuße nachfolgen sollten? Das M.-G-Feuer aus dem Blockhaus wird immer ungemütlicher, es hat schon manchen von uns getroffen. Nun greift der Feind auch von vorne an; er hat erkannt, dass wir nicht recht vorwärts kommen. Doch wir weichen nicht. Zum Glück finden wir eine Kiste französischer Handgranaten, mit denen wir eben so gut umgehen wissen wie mit unseren eigenen. Der Feind stutzt und ruft uns etwas zu. Eine neue Salve seiner Handgranaten wird ihm zur Antwort. Doch auch die feindliche Munition geht zu Neige. Der Feind hat Verstärkung bekommen, ganz nahe ist er uns schon bis zur übernächsten Schulterwehr. Ein Hagel von Handgranaten prasselt auf uns nieder. Mancher wird verwundet und muss zurück. Von irgendwo feuert überraschend ein französisches M.-G. Das kostet uns wieder Leute. Bald sind wir auf etwa 20 Mann zusammengeschmolzen. Die französische Artillerie setzt wieder ein, auch die unsere, aber - o Schrecken! - sie legt ihr Sperrfeuer auf die 1. Französische Linie, während wir in der 2. Linie verzweifelt uns wehren. Der Feind rückt immer näher. Wir müssen zurück. Im Laufgraben steht ein französisches M.-G. Wir wollen es wenden, den Feind abzuwehren. Ich buddele im Graben, Unteroffizier Jürgens versucht zu laden, Da - taktaktak - - Ich taumele. Mein Kopf schmerzt. Kopfschuss? Ich fühle mit der Hand. Sie ist nicht blutig. Mein Stahlhelm liegt neben mir. Eine feindliche Kugel hat den Zapfen der rechten Seite weggerissen. Neben mir ein Ächzen und Stöhnen: „Ich sterbe, ich sterbe!“ Es ist Unteroffizier Jürgens. Ich reiße seinen Waffenrock auf. Blutrot ist sein Hemd gefärbt. Eine kugel ist ihm irgendwo in die Lendengegend gedrungen. „Die Franzosen! Die Franzosen!“ Eilig hasten einige unserer Leute vorbei. Zwei von ihnen fassen den Schwerverwundeten und schleppen ihn rückwärts. Sein markerschütternder Schrei lässt mich zittern. Am nächsten Grabenknick zeigt sich der Franzose. Meine letzte Handgranate fliegt ihm entgegen. Soll der arme Verwundete in Feindeshand fallen? Noch einige Sekunden muss ich aushalten - und will doch nicht gefangen werden. Den Finger am Abzug des Karabiners, keinen Augenblick abgewendet von der Stelle, wo der Feind sich soeben gezeigt, so stehe ich niedergeduckt an die Grabenbiegung gepresst, ganz Erwartung und Spannung. Heulend und krachend schlagen die Granaten ein, ob deutsche oder französische, ich weiß es nicht. Wie wenn der Rückweg vom Blockhaus her bereits abgeschnitten ist? Da packt es mich mit unwiderstehlicher Gewalt. Ich stürze zurück wie gehetztes Wild. Von den Unseren kein Mensch mehr zu sehen. Glücklich erreichte ich die Ausgangsstellung, wo ich 2 Leute meines Stoßtrupps treffe. Auch 160er, die uns doch gleich nachfolgen sollten, liegen mit Sturmgepäck in den Granattrichtern, dort wo wir sie vor einer Stunde verließen. „Wir haben noch keinen Befehl zum Vorgehen bekommen“, dass war die Antwort, die ich erhielt. Was sollen wir versprengten Stoßtrüppler, ohne jeden Zusammenhalt, hier noch machen. Uns war alles gleichgültig. Wir schlugen den Heimweg ein nach Mauregny. Plötzlich wieder heftiges französisches Artilleriefeuer auf unserem Anmarschweg. Meine Begleiter eilen, Schutz zu suchen in einem Hohlweg. Willenlos folgte ich ihnen. Dort sind noch 4 Mann unserer Abteilung. In einem leeren Unterstand finden wir, auf eine Tragbahre gebettet, mit einer Zeltbahn bedeckt, unseren tapferen, jetzt toten Führer. Er kann ruhig schlafen, denn seine Leute haben ihre Pflicht getan. 4 Mann nehmen die Bahre auf ihre Schulter, und so geht der traurige Zug, begleitet von den rechts und links einschlagenden Granaten durch die Niederung des Lette-Baches nach Bouconville. Dort stellten wir unsere Totenbahre beim Verbandsplatz in einem Keller ab und gehen schweigend, den Blick zu Boden gesenkt, querfeldein nach Mauregny. -
    Beim Appell ergibt sich folgendes Bild: Tot und vermisst: 1 Offizier, 10 Mann; Verwundet: 2 Unteroffiziere, 23 Mann; Leicht verwundet bei der Truppe: 8 Mann. Von den uns beigegebenen Garde-Pionieren mit ihren 4 Flammenwerfern ist nur der Führer zurückgekommen. - Das war der Angriff der Sturmabteilung 15. I.-D. am Winterberg, so wie ihn der Stoßtrüppler erlebte.

    Ohne weitere Quellen kennen wir nicht den Grund für das nicht erfolgte Vorrücken, aber wie auch immer. In die Lage der Stosstrüppler vermag ich mich nicht rein zu versetzen. Wie Sinnlos muss ihnen diese Unternehmung und der Verlust der Kameraden vorgekommen sein!
     
  6. Ruhrpottpreuße

    Ruhrpottpreuße Administrator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenAdmin AbzeichenSponsorNeu

    Hallo Björn!
    Vielen Dank für Deine Mühen! So Berichte sind immer ergreifend. Warum nicht nachgerückt wurde, ergibt sich vielleicht aus dem Report des Reichsarchivs Band 12 "Die Kriegsführung im Frühjahr 1917. Dein Bericht ist aus der Sicht eines Frontkämpfers. Wahrscheinlich hatte er keine Kenntnis von der allgemeinen Lage.
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    In der RG 160 wird das Gefecht auf mehreren Seiten beschrieben. Gibt´s bei Patrick:
    https://military-books.lima-city.de/hp20/160.html
     
    Zuletzt bearbeitet: Sep. 10, 2019
  7. Deichkind

    Deichkind Super-Moderator / Ehrenmitglied Mitarbeiter AbzeichenSumo

    Moin Björn,
    schliieße mich an. Danke für diese lebhafte Schilderung.
    D
     
  8. Charlie

    Charlie Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

  9. mexico81

    mexico81 Sehr aktives Mitglied AbzeichenUser

    Ich danke euch!
    Die RG habe ich. Allerdings war es mir gestern zu spät um weitere Quellen zu durchforsten. ;)
     
  10. Charlie

    Charlie Super-Moderator / Sponsor Mitarbeiter AbzeichenSumo AbzeichenSponsorNeu

    Hallo Björn,
    Danke für die Geschichte dahinter. Es ist echt erstaunlich was das Forum aus fast nichts herausfiltern kann.

    Gruß
    Charlie
     
Helmut Weitze Deutsche Gesellschaft für Heereskunde Heeresgeschichten Military-Books 1418 IR 69 Deutsche Gefallene des 1. Weltkrieges RIR 68 Ordensforum Military-Books 1418 DGW Military-Books 1418